Freitag, 6. September 2013

Abschlussbericht Rebekka

Zehn Monate von zu Hause weg. Zehn Monate in Tansania. Zehn Monate in Mbeya. Zehn Monate in Iyunga. Zehn Monate in der Chuo Cha Walemavu, einem Behinderteninterat.

Zehn Monate Lehrerin sein. Zehn Monate Weiße sein.

Sprache lernen, einleben, Freunde finden, Freundschaften schließen, sich nützlich machen, zehn Monate sich anpassen.

Nein, es war nicht immer einfach. Und ja, all das war es wert!


Abschlussbericht

von Rebekka Lühmann
Caritasverband Hildesheim, weltwärts 3+10



Als ich im Oktober letzten Jahres in meiner Einsatzstelle ankam war ich erst mal platt! Ich habe versucht mir vorher nicht allzu viele Vorstellungen zu machen und trotzdem ist alles komplett anders, als ich erwartet hätte.
So viele Menschen empfangen mich mit Freude, und ich frage mich nur: Warum freuen die sich, die kennen mich doch noch nicht einmal?
Das war der Beginn von viel zu kurzen 10 Monaten in Tansania.

In einem Heim mit integrierter Schule für geistig und körperlich behinderte Kinder und Jugendliche, sollte ich nun für 10 Monate Englisch, Mathe, Computer und Geografie unterrichten. Der Start gestaltete sich natürlich schwierig aufgrund sprachlichen und kulturellen Barrieren.

Ich wollte sofort anfangen, sofort loslegen, sofort nützlich sein. Aber sofort geht das eben nicht. „Pole, pole“ hörte ich oft und dieses Sprichwort lernte ich zu schätzen. Langsam - „alles langsam angehen lassen“, dass ist den Tansaniern besonders wichtig. Und dann kommt da ein unerfahrenes Mädchen an, dass kaum einen grammatikalisch richtigen Satz auf die Reihe kriegt und gleich alles machen will, das konnten die Tansanier nur belächeln. Und außerdem war ich ja nicht nur Lehrerin, sondern in erster Linie Gast. Einem Gast wird erst mal gutes Essen vorgesetzt, extra warmes Wasser zum Duschen gemacht, ein hergerichtetes Zimmer zugewiesen und auch die Zeit gegeben, um sich auszuruhen.

Aber als ich dann nach 4 Tagen keine Lust hatte mich auszuruhen, setzte ich mich schließlich durch und fing an zu unterrichten. Die Schüler, die in meinem Alter oder älter waren respektierten mich von Beginn an. Ich hatte Entscheidungsfreiheit, was ich im Unterricht durchnehmen will und welche Methoden ich anwende. Das genoss ich sehr! Neben meinem Unterricht erhielt ich selber Unterricht in Suaheli, der Landessprache, von meinen Schülern. Alle Schüler lebten ja auch nach der Schule im gleichen Umfeld wie ich, so nutzen wir die Gelegenheit uns kennenzulernen und ich um gleich die wichtigsten Dinge und Sätze von ihnen zu lernen.


Die Zeit verflog.
Nach 3 Monaten dachte ich: Ja, jetzt bin ich angekommen und fühle mich hier zu Hause! Das Unterrichten viel mir immer leichter, ich hatte Spaß am Helfen im Haushalt, kochen und Feldarbeit. Ich merkte so richtig, wie die Ordensschwestern und die Schüler meine Familie wurden! Täglich mit über 30 Leuten zusammen sein und sich mit anderen über den Alltag, Erlebnissen oder Ansichten austauschen, das genoss ich so richtig. Über die Weihnachtsferien fuhren viele unserer Schüler nach Hause zu ihren Eltern und ich erlebte ein intensives Weihnachtsfest mit vielen Messen und viel Essen! Ehrlich gesagt war ich richtig froh, mal ein Weihnachtsfest ohne Familie aus Deutschland zu feiern. Kein Weihnachtsstress rundum Geschenke und Besinnlichkeit in der Familie. Ich erlebte zwar ein besinnliches Fest, aber der Mittelpunkt war das Jesus Kind und nicht der Weihnachtsbaum in der Stube. All das zu beobachten und mit zu erleben gefiel mir sehr.

An meinem Geburtstag wurde ich von meinen Schülern und allen Freunden auch sehr positiv überrascht. Sie wussten aus Erzählungen, dass Geburtstage in Deutschland groß gefeiert wurden mit extra Essen und einem Fest. So versuchten mir alle einen schönen Geburtstag zu bescheren und das ist ihnen gelungen! Es war ein sehr persönliches Fest. An diesem Tag wurde mir wirklich Bewusst, wie sehr mich meine tansanischen Freunde mögen und mich viel besser kennen, über die kulturellen Barrieren hinweg!

In den Schulferien, ging ich ins Krankenhaus und auch dort wurde ich sehr herzlich aufgenommen. Auf der Kinderstation wurde ich in meine Aufgabenfelder eingearbeitet und durfte helfen Kleinkinder zu wiegen, medizinisch zu versorgen und alles zu dokumentieren. Ich war sehr froh auch dort Freundschaften zu schließen und so wuchs bis zum Ende mein Freundeskreis in Tansania.

So sehr wie ich mich eingelebt hatte, so sehr schmerze es auch jedes mal, wenn ich in die Stadt fuhr und jedes mal wegen meiner Hautfarbe auffiel. Egal wie lange man in einem afrikanischen Land lebt, die Hautfarbe ändert sich nicht. Auch wenn die Rufe und Sprüche gar nicht böse gemeint sind hat es mich doch oft sehr verletzt, dass für viele Tansanier Weiße (also mich inbegriffen) mit Geld und Wohlstand assoziiert werden.

Geborgen und wirklich anerkannt fühlte ich mich nur in meiner Gemeinde. Die wöchentlichen Messen in der Nahe gelegenen Kirche waren der Schlüssel um mit Nachbarn in Bekanntschaft zu treten. Auch im Kirchenchor traf ich auf freundliche Jugendliche und Erwachsene, die mich herzlich willkommen hießen mit ihnen zu singen, zu üben und in der Kirche die Messen zu begleiten. Der Höhepunkt im Chor war der gemeinsame Ausflug in eine andere Gemeinde. Wir fuhren zusammen in ein 2 Stunden entferntes Dorf, dort wurden wir sehr herzlich begrüßt mit Gesang und Tanz und erlebten als Chorgemeinschaft ein schönes Wochenende dort. Dass ich die Weiße unter den Chormitgliedern war, war bei diesem Ausflug nebensächlich, das war ein echtes Gemeinschaftsgefühl!

Die Abschiedsphase war für mich sehr emotional und noch einmal merkte ich wie wichtig mir die ganzen Menschen geworden sind, die ich kennen lernen durfte und wie sehr ich jeden einzelnen Moment genießen konnte, denn ich hatte das Leben in der Natur und in Verbundenheit mit Tieren und so vielen Freunden echt zu schätzen gelernt!

Ich denke gerne an die Zeit zurück, versuche Augenblicke in Erinnerung zu behalten und mit Freunden weiterhin in Kontakt zu stehen!