Montag, 29. Juli 2013

Familienbild

Interview von Rebekka Lühmann
weltwärts3+10, Caritas Hildesheim
Einsatzstelle: Chuo Cha Walemavu Iyunga / Mbeya / Tansania 2012/2013

Ich treffe die Familie Steven an einem Sonntagnachmittag in ihrem Haus in meiner Nachbarschaft. Als ich ankomme, treffe ich auf die Kinder die mich herzlich willkommen heißen, aber mir mit Bedauern mitteilen, dass sich die Eltern gerade in der Kirche befinden. Das macht natürlich nichts, ich darf mich zusammen mit ihnen im Wohnzimmer vor dem Fernseher vergnügen. Ein indischer Bollywood-Streifen läuft. Wir warten. Als die Eltern dann eintreffen beginne ich mit allen zusammen das Interview zu führen.

Der Familienvater Raimond Steven, 55 Jahre alt, stammt ursprünglich aus Tukuyu. Zusammen mit seiner Frau, Emy Bulanga (48), sind sie nach Mbeya gezogen. Herr Steven ist Lehrer an der St. Mary's Bording School Mbeya. Seine Ehefrau ist in erster Linie Hausfrau, kümmert sich um die Kinder, den Garten und die Tiere, außerdem ist sie ehrenamtlich engagiert in der Kirche.
Zusammen haben sie 8 Kinder. Ntimu und Edita sind 23 Jahre alt und die erstgeborenen Zwillinge. Sie sind beide auf einer Sekundarschule in der Stadt. Beide haben schon ein Kind, erfahre ich. Das hat beide in ihren Studien gehemmt und sie holen jetzt die verpassten Schuljahre nach.
Godfray Steven ist der älteste Sohn, 20 Jahre alt, auch auf einer Sekundarschule. Als ich die Familie besuche ist er allerdings abwesend, er vertritt die Schule auf dem Fußballplatz.
Hika und Hekima sind die folgenden Zwillinge, auch beides Mädchen und auf unterschiedlichen Sekundarschulen in Iringa und Magu eingeschrieben.
Timos, 14 Jahre, ist der Vorletzte der Stevens und ebenfalls auf einer Sekundarschule.
Der Letztgeborene, Bariki, ist 11 und in der Grundschule.

Zu der Familie gehören außerdem 8 Hühner, ein Schwein, vier Wachhunde und eine Katze. In ihrem Garten bauen sie Blattspinat und etwas Zuckerrohr an.
Die Mutter bedauert, dass sie nicht mehr Tiere halten und ein zu kleines Haus für 12 Bewohner haben. Aber der Vater erklärt mir, dass die allererste und wichtigste Investition seine Kinder sind. Er ist sehr bemüht das Schulgeld für alle seine Kinder aufzubringen, dass alle eine Chance für eine gute Zukunft haben. „Die Ausbildung meiner Kinder ist mir wichtiger, als Schweine im Stall!“, betont Herr Steven. Er erklärt mir, dass seine Priorität darin liegt, dass sich seine Kinder zu verantwortungsbewussten und unabhängigen Individuen entwickeln. Er sagt: „Sie sollen ihre eigenen Projekte verwirklichen können, wenn möglich andere Sichtweisen im Ausland kennen lernen und nicht „nur“ wie ich Lehrer werden und Kinder kriegen. Gerade Frauen haben es in unserer Gesellschaft schwer unabhängig zu sein. Wenn eine Frau heiratet heißt das oft, dass sie dann nur noch dem Mann dient und nicht ihren Träumen nachgehen kann.“
Dass bekräftigt Frau Emy Bulanga auch. Sie sagt, sie wäre gerne auch auf eine Sekundarschule gegangen und hätte eine Arbeit gelernt. Aber es kam anders, sie heiratete und brachte 8 Kinder zur Welt. Nun studieren alle und das Geld reicht kaum für Schulhefte, an einen eigenes Geschäft oder eine Investition für einen Traktor um Landwirtschaft zu betreiben ist nicht zu denken. „Wir haben 10 Hektar Land in Tukuyu, aber wer hat die Zeit und die Kraft diese zu bestellen? Wir können nicht investieren, so gehe ich täglich zur Arbeit und meine Eltern beackern so viel wie sie mit ihren eigenen Händen schaffen.“, sagt Herr Steven.

Ich frage die Kinder, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. „Ich will unabhängig sein!“, sagt die Älteste Ntimi. „Von meinem Ehemann abhängig sein will ich nicht. Ich will die Universität besuchen und einen guten Job finden. Ich kann mir vorstellen später mal einen eigenen Supermarkt zu leiten oder Manager zu werden. Ich will kennen lernen und wissen, was in anderen Ländern geschieht und am globalen Treiben teilnehmen! Ich habe Ehrgeiz, fehlt nur noch der Ehemann, der mich machen lässt und mich nicht in die Küche sperrt.“
Auch die Eltern teilen die Sorgen ihrer Töchter. Offen sagt der Vater mir, dass sie so viel Geld in die Schulausbildung investieren, und dass er inständig hofft und betet, dass seinen Töchtern und Söhnen eine gute Zukunft gewährt ist.

Alle sind sich einig, als sie sagen, dass ihre größte Sorge Krankheit ist. AIDS oder Krebs stellen große Gefahr für die Entwicklung der Familie dar. „Was machen wir, wenn unsere Kinder früh sterben durch solche Krankheiten? Wir haben keinen großen Besitz, unsere Goldstücke sind die Kinder!“ sagen die Eltern. „Wir bitten Gott, dass keine Krankheit unsere Familie heimsucht, es wäre eine Katastrophe!“

Außerdem stellt der Familienvater fest, dass die Familie weitaus größer ist, als nur seine Kinder und Enkel. „Meine Familie in Tukuyu will mich jedes Jahr mindestens einmal sehen. Wenn ich mich nicht blicken lasse, rufen sie mich und ich muss mich rechtfertigen warum ich die Familie im Stick lasse. Blut ist dicker als Wasser und man kann sich nicht aus seiner Familie winden. Wenn mein Bruder ein Problem hat muss ich helfen, da interessiert keinen die Schulgebühren für meine eigenen Kinder!“, betont er.
Er macht mir klar, dass die Familie ein Sicherheitsnetz bildet, um Schicksalsschläge aufzufangen, aber gleichzeitig ein Hemmer ist individuell Karriere zu machen. „Hast du Geld, wollen alle was ab haben!“ ruft die Mutter Emy Bulanga aus.

Die Familie Steven hält zusammen und stellt sich den gehobenen Herausforderungen in ihrem Lande. Ich zolle der Familie viel Respekt für ihre kritische Denkweise gegenüber den kulturellen und politischen Gegebenheiten zu! So viel Ehrgeiz und Verständis in einer Familie untereinander ist riesig wichtig um eine neue Gesellschaft in Tansania aufzubauen.
Es war ein angeregtes Gespräch mit allen Falmilienmitgliedern und ich danke den Stevens herzlich für dieses Interview!

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