Zehn
Monate von zu Hause weg. Zehn Monate in Tansania. Zehn Monate in
Mbeya. Zehn Monate in Iyunga. Zehn Monate in der Chuo Cha Walemavu,
einem Behinderteninterat.
Zehn
Monate Lehrerin sein. Zehn Monate Weiße sein.
Sprache
lernen, einleben, Freunde finden, Freundschaften schließen, sich
nützlich machen, zehn Monate sich anpassen.
Nein,
es war nicht immer einfach. Und ja, all das war es wert!
Abschlussbericht
von
Rebekka Lühmann
Caritasverband
Hildesheim, weltwärts 3+10
Als
ich im Oktober letzten Jahres in meiner Einsatzstelle ankam war ich
erst mal platt! Ich habe versucht mir vorher nicht allzu viele
Vorstellungen zu machen und trotzdem ist alles komplett anders, als
ich erwartet hätte.
So
viele Menschen empfangen mich mit Freude, und ich frage mich nur:
Warum freuen die sich, die kennen mich doch noch nicht einmal?
Das
war der Beginn von viel zu kurzen 10 Monaten in Tansania.
In
einem Heim mit integrierter Schule für geistig und körperlich
behinderte Kinder und Jugendliche, sollte ich nun für 10 Monate
Englisch, Mathe, Computer und Geografie unterrichten. Der Start
gestaltete sich natürlich schwierig aufgrund sprachlichen und
kulturellen Barrieren.
Ich
wollte sofort anfangen, sofort loslegen, sofort nützlich sein. Aber
sofort geht das eben nicht. „Pole, pole“ hörte ich oft und
dieses Sprichwort lernte ich zu schätzen. Langsam - „alles langsam
angehen lassen“, dass ist den Tansaniern besonders wichtig. Und
dann kommt da ein unerfahrenes Mädchen an, dass kaum einen
grammatikalisch richtigen Satz auf die Reihe kriegt und gleich alles
machen will, das konnten die Tansanier nur belächeln. Und außerdem
war ich ja nicht nur Lehrerin, sondern in erster Linie Gast. Einem
Gast wird erst mal gutes Essen vorgesetzt, extra warmes Wasser zum
Duschen gemacht, ein hergerichtetes Zimmer zugewiesen und auch die
Zeit gegeben, um sich auszuruhen.
Aber
als ich dann nach 4 Tagen keine Lust hatte mich auszuruhen, setzte
ich mich schließlich durch und fing an zu unterrichten. Die Schüler,
die in meinem Alter oder älter waren respektierten mich von Beginn
an. Ich hatte Entscheidungsfreiheit, was ich im Unterricht
durchnehmen will und welche Methoden ich anwende. Das genoss ich
sehr! Neben meinem Unterricht erhielt ich selber Unterricht in
Suaheli, der Landessprache, von meinen Schülern. Alle Schüler
lebten ja auch nach der Schule im gleichen Umfeld wie ich, so nutzen
wir die Gelegenheit uns kennenzulernen und ich um gleich die
wichtigsten Dinge und Sätze von ihnen zu lernen.
Die
Zeit verflog.
Nach
3 Monaten dachte ich: Ja, jetzt bin ich angekommen und fühle mich
hier zu Hause! Das Unterrichten viel mir immer leichter, ich hatte
Spaß am Helfen im Haushalt, kochen und Feldarbeit. Ich merkte so
richtig, wie die Ordensschwestern und die Schüler meine Familie
wurden! Täglich mit über 30 Leuten zusammen sein und sich mit
anderen über den Alltag, Erlebnissen oder Ansichten austauschen, das
genoss ich so richtig. Über die Weihnachtsferien fuhren viele
unserer Schüler nach Hause zu ihren Eltern und ich erlebte ein
intensives Weihnachtsfest mit vielen Messen und viel Essen! Ehrlich
gesagt war ich richtig froh, mal ein Weihnachtsfest ohne Familie aus
Deutschland zu feiern. Kein Weihnachtsstress rundum Geschenke und
Besinnlichkeit in der Familie. Ich erlebte zwar ein besinnliches
Fest, aber der Mittelpunkt war das Jesus Kind und nicht der
Weihnachtsbaum in der Stube. All das zu beobachten und mit zu erleben
gefiel mir sehr.
An
meinem Geburtstag wurde ich von meinen Schülern und allen Freunden
auch sehr positiv überrascht. Sie wussten aus Erzählungen, dass
Geburtstage in Deutschland groß gefeiert wurden mit extra Essen und
einem Fest. So versuchten mir alle einen schönen Geburtstag zu
bescheren und das ist ihnen gelungen! Es war ein sehr persönliches
Fest. An diesem Tag wurde mir wirklich Bewusst, wie sehr mich meine
tansanischen Freunde mögen und mich viel besser kennen, über die
kulturellen Barrieren hinweg!
In
den Schulferien, ging ich ins Krankenhaus und auch dort wurde ich
sehr herzlich aufgenommen. Auf der Kinderstation wurde ich in meine
Aufgabenfelder eingearbeitet und durfte helfen Kleinkinder zu wiegen,
medizinisch zu versorgen und alles zu dokumentieren. Ich war sehr
froh auch dort Freundschaften zu schließen und so wuchs bis zum Ende
mein Freundeskreis in Tansania.
So
sehr wie ich mich eingelebt hatte, so sehr schmerze es auch jedes
mal, wenn ich in die Stadt fuhr und jedes mal wegen meiner Hautfarbe
auffiel. Egal wie lange man in einem afrikanischen Land lebt, die
Hautfarbe ändert sich nicht. Auch wenn die Rufe und Sprüche gar
nicht böse gemeint sind hat es mich doch oft sehr verletzt, dass für
viele Tansanier Weiße (also mich inbegriffen) mit Geld und Wohlstand
assoziiert werden.
Geborgen
und wirklich anerkannt fühlte ich mich nur in meiner Gemeinde. Die
wöchentlichen Messen in der Nahe gelegenen Kirche waren der
Schlüssel um mit Nachbarn in Bekanntschaft zu treten. Auch im
Kirchenchor traf ich auf freundliche Jugendliche und Erwachsene, die
mich herzlich willkommen hießen mit ihnen zu singen, zu üben und in
der Kirche die Messen zu begleiten. Der Höhepunkt im Chor war der
gemeinsame Ausflug in eine andere Gemeinde. Wir fuhren zusammen in
ein 2 Stunden entferntes Dorf, dort wurden wir sehr herzlich begrüßt
mit Gesang und Tanz und erlebten als Chorgemeinschaft ein schönes
Wochenende dort. Dass ich die Weiße unter den Chormitgliedern war,
war bei diesem Ausflug nebensächlich, das war ein echtes
Gemeinschaftsgefühl!
Die
Abschiedsphase war für mich sehr emotional und noch einmal merkte
ich wie wichtig mir die ganzen Menschen geworden sind, die ich kennen
lernen durfte und wie sehr ich jeden einzelnen Moment genießen
konnte, denn ich hatte das Leben in der Natur und in Verbundenheit
mit Tieren und so vielen Freunden echt zu schätzen gelernt!
Ich
denke gerne an die Zeit zurück, versuche Augenblicke in Erinnerung
zu behalten und mit Freunden weiterhin in Kontakt zu stehen!